Avgas Flugzeugbenzin für uns

Reparatur, Restauration, Adressen

Moderator: Ulrich

Antworten
Nachricht
Autor
ubootfahrer
Beiträge: 46
Registriert: 26. Mai 2014, 15:58
Wohnort: Dessau

Avgas Flugzeugbenzin für uns

#1 Beitrag von ubootfahrer » 12. Nov 2022, 22:54

Hallo , habe in Suchfunktion zu diesem Thema nichts gefunden,deshalb hier jetzt meine Neuigkeiten zu diesem Thema.
Bei einem Gespräch mit einem älteren Kfz-Meister zu zwei Klemmern,die mich beim Quälen meiner Lady bei den extremen Temperaturen in diesem Sommer ereilten ( MEINE EIGENE DUSSLIGKEIT ) erklärte er mir folgendes:
Er selbst repariert und baut neu auf ,auch DDR Oldie Motorräder und Simsons ,und meinte ich solle in Zukunft besser Flugzeugbenzin für die BK tanken.
Es wird unter dem Namen Avgas ( aviation gas ) gehandelt und kann frei an Flugplätzen in Deutschland mit Kanister gekauft werden.
Vielleicht nicht in Frankfurt oder München ,aber wir in Dessau haben einen Flugplatz ( Prof.Junkers sei Dank ) und dort geht das wirklich,ich war da ! Der Vorteil wäre : Avgas ist immer noch etwas verbleit ,was generell einer besseren Schmierung zu Gute käme ?!! Wesentlicher ist aber ,dass dieses Benzin qualitativ sehr viel besser ist als dieses Zeug ( Originalton ) von den Tankstellen.Es kann bedenkenlos über lange Zeit ohne jeden Qualitätsverlust im Tank oder in Kanistern aufbewahrt werden.Dazu sollte man wissen ,dass Benzin ein Gemisch von max.bis zu 250 verschiedenen Kohlenwasserstoffen ist,hier macht es offenbar die Mischung.
Ja ,und zum Preis sagte man mir am Flugplatz 3 Euro plus pro Liter .
Haben andere Kollegen zu diesem Thema auch Erkenntnisse ?

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#2 Beitrag von bujatronic » 13. Nov 2022, 09:59

Wer sein Geld zum Fenster rauswerfen wil...
Avgas ist nur für ältere Viertakter sinnvoll, die das Bleioxid (oder Bleiersatz - das aber ist für die ja streng regulierte Luftfahrt nicht zugelassen) zum Schutz der Auslaßventile brauchen. Das liegt daran, daß die Zulassung von Flugmotoren eine sehr aufwendige Prozedur ist, weswegen viele auf dem technischen Stand der 30er Jahre sind. Hier geht es in erster Linie um Zuverlässigkeit, die unter den Bedingungen der Luftfahrt (große Unterschiede in Luftdruck und -temperatur) sicher gewährleistet sein muß.
So produziert die Limbach Flugmotoren GmbH z.B. heute noch Motoren, die auf dem des VW Käfer basieren, allerdings sind viele Bauteile inzwischen modernisiert, z.B. die Auslaßventile, so daß sie auch mit bleifreiem Benzin betrieben werden können. Schon wegen des Preises wird das auch überwiegend praktiziert, und mir als Flugzeug-Motorenwart ist kein Fall bekannt, daß es deswegen zu Problemen gekommen ist.
Die genaue Bezeichnung des Flugbenzins ist Avgas 100 LL, was "low lead", also wenig Blei bedeutet. Es ist im Übrigen in Form von Bleitetraethyl zugegeben (und auch nur ca. 0,5g/Liter), was schon wegen der geringen Menge und auch wegen seiner Eigenschaften nichts zur Schmierung oder Kühlung beiträgt.
Ich weiß nicht, ob die Verwendung von verbleitem Benzin im Straßenverkehr nicht sogar eine Straftat ist, immerhin ist es jetzt in allen Ländern verboten (zuletzt Algerien 2021). Dazu müßte sich mal ein Jurist äußern.
Und was die Lagerfähigkeit betrifft: In dichten Metallbehältern ist Benzin praktisch unbegrenzt lagerfähig, ganz egal welches. Bei unseren Oldtimern ist aber der Tank immer mit der Luft in Verbindung, deswegen verdunsten allmählich die leichten Fraktionen (Kohlenwasserstoffe mit kurzen Ketten, z.B. Pentan, Hexan). Das erschwert leider den Kaltstart im nächsten Frühjahr, verbessert aber den Wiederstart bei warmem Motor. Dennoch sollten mehr als 2 Jahre vergehen, bis es unbrauchbar ist. Auch der, der vielleicht nur einmal im Jahr fährt (also regelmäßig zum BK-Treffen), sollte keine Probleme haben!
Schauen wir uns die Siedekurven mal an (sie zeigen, bei welcher Temperatur wieviel Prozent verdampft sind):
Kopie von neu-1.jpg
Kopie von neu-1.jpg (36.52 KiB) 7259 mal betrachtet
Die Siedekurve von Flugbenzin ähnelt dem von Leichtbenzin (früher als Katalyt bekannt). Es sind also von Haus aus weniger schwere Fraktionen (z.B. Dekan) drin. Logisch, denn da oben ist es kalt (kann ich bestätigen!), und auch dann muß das Benzin, um zündfähig zu sein, noch verdampfen. Und es besteht offensichtlich aus deutlich weniger als 250 Kohlenwasserstoffen...
Allerdings beginnt die Siedekurve bei höheren Temperaturen, es sind also weniger der sehr leichten Fraktionen drin (deswegen springen Flugmotoren im Winter auch meist schlecht an und werden vorgewärmt). Daraus folgt, daß Avgas in Kontakt mit Luft nicht so schnell verdunstet, also im Tank besser lagerfähig ist. Jedoch denke ich, daß das nicht so wesentlich ist. Nur mal ein Beispiel: Meine TS250/1 hatte seit 2015 mit vollem Tank E10 in der Garage gestanden und ist letztens trotzdem angesprungen. Gut, ich mußte vielleicht 2-3mal mehr kicken. Motorlauf war aber ohne Fehl und Tadel...
Und bedenkt bitte, daß wir ja unsere Ladies meist im Sommer volltanken, und Sommerbenzin enthält schon von Haus aus weniger leichte Fraktionen.
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#3 Beitrag von bujatronic » 25. Nov 2022, 19:59

Nachtrag zu den Klemmern:
Ich habe immer dafür plädiert, nur das beste Öl zu nehmen, und das ist m.E. MZ408 von Addinol. Mehr Öl von minderer Qualität hilft nichts!
Die meisten unserer Ladies haben nun schon den x-ten Schliff, d.h. der Hubraum wird immer größer, aber der Kompressionsraum hat sich quasi nicht verändert. Daraus resultiert eine höhere Kompression (meine inzwischen fast 1:8) mit den damit verbundenen Belastungen. Das kann besseres Öl durchaus kompensieren, zumal so manch anderes Problem, wie z.B. Ölkohle kein Thema mehr ist.
Beim BK-Treffen dies Jahr bin ich hunderte km bei größter Hitze (und Qualm von den Waldbränden) mit ca. 1:40 gefahren, ohne Probleme.
Und in meinen ETZ (ich habe mehrere) fahre ich seit Jahrzehnten dies Öl jenseits 1:100.
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Ecke
Beiträge: 118
Registriert: 9. Nov 2020, 23:15
Wohnort: 02763

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#4 Beitrag von Ecke » 26. Nov 2022, 22:35

Hallo und guten Abend,

Buja, Deine Gemische find ich ganz schön mutig! Da hätte ich schiss davor!
Ich nutzte Motul 800 und mische tapfer 1:25. Das riecht übrigens richtig gut, wenn man sich hinterherfährt! Sprit nehm ich nur Super.
Ich denke immer, das macht dieses Hobby nicht teuer :!:
Ansetzungen hab ich nirgends festgestellt, und mit Klemmern hatte ich noch nie Bekanntschaft.
Hier bei uns im Gebirge ist viel Vollgas angesagt bei wenig Geschwindigkeit, und dann sofort Schiebebetrieb bergabwärts, und ich weiß nicht, ob nur die ölqualität wichtig ist oder auch die schiere Menge!
Und dann immer noch den DDR Minol-Pirol Spruch im Ohr: wer gut schmiert....

Schönes Wochenende aus der Oberlausitz vom Ecke
ES 250/0 Bj59 mit EL-ES Bj62
Berliner Roller Bj59
Bk350 Bj55 mit Stoye TS Bj59
Wartburg 311 Bj59
Herkules Fahrrad Bj 89
Bk350 mit LSW UW aus 7 Kisten im Aufbau
Jawa 350 , Typ 360 „Panelka“ Bj 67

Gebremster Seitenwagen ist Hexenwerk

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#5 Beitrag von bujatronic » 27. Nov 2022, 10:05

Völlig richtig: "wer gut schmiert...." und nicht: "wer viel schmiert"!
Ich hab vor Jahren mal die Unterschiede der Öle und wie sie getestet werden gepostet. Wenns Dich interessiert, such mal.
Der Hauptvorteil der vollsynthetischen Öle ist, daß der Schmierfilm auch bei höheren bis sehr hohen Temperaturen stabil bleibt. Das kann minderwertiges Öl nicht, egal wieviel man davon beimischt.
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#6 Beitrag von bujatronic » 2. Dez 2022, 10:57

Nachtrag zu länger lagerfähigem Benzin:
Etliche Landhändler bieten sog. Gerätebenzin (Alkylatbenzin) an, was einerseits fast keine giftigen Bestandteile (Benzol-Derivate) und ähnlich Avgas recht wenige unterschiedliche Kohlenwasserstoffe enthält und deswegen (auch als Zweitakt-Gemisch) sehr lange lagerfähig ist. Das ist für die Anwendung bei Motorgeräten (Sägen, Sensen unsw.) gedacht, die keinen Kat haben und wo Menschen direkt mit den Abgasen in Berührung kommen können.
Allerdings sollte man schon 4 ... 5€ pro Liter locker machen...
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#7 Beitrag von bujatronic » 21. Feb 2023, 19:05

Noch ein Nachtrag zu verbleitem Benzin:
Da das Bleioxid (beim Viertakter) nur an den Ventilen gebraucht wird und nicht im Brennraum (wo es z.B. die Zündkerzen durch Brücken außer Betrieb setzen kann), sind außerdem sog. Scavenger (Bleiausträger) beigemischt. Das sind halogenierte Kohlenwasserstoffe, entfernt ähnlich dem aus der DDR bekannten Fleckenwasser "Nuth" und bei stehendem Motor auch so ähnlich wirksam. Es löst mit der Zeit den Ölfilm und die Halogene sorgen für Korrosion, besonders wenn der Motor (so wie bei den Oldies) längere Zeit steht.
Obwohl in der DDR relativ wenig Blei im Sprit war (max. 0,04 %, also weniger als im Avgas, andere Grenzwerte zum Vergleich: BRD: 0,06%, USA 0,08%) und somit wohl auch weniger Scavenger, dürften diese Stoffe doch für so manchen Motorschaden verantwortlich gewesen sein, weil ja Autos damals deutlich seltener genutzt wurden und länger standen.
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Benutzeravatar
Elektroschrauber
Beiträge: 499
Registriert: 14. Okt 2008, 20:59
Wohnort: Erfurt

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#8 Beitrag von Elektroschrauber » 28. Feb 2023, 21:59

Einfach bemerkenswert.
Es ist immer wieder ein Freude dem Buja zuzuhören oder etwas von ihm zu lesen.
Und Gedichte rezitieren kann er auch :wink:
Grüße

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2346
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#9 Beitrag von bujatronic » 1. Mär 2023, 20:23

Und meine Sangeskünste???
Danke für die Blumen!
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Sport-Lu
Beiträge: 1452
Registriert: 25. Aug 2005, 21:00
Wohnort: Urnshausen/Rhön (Thüringen)

Re: Avgas Flugzeugbenzin für uns

#10 Beitrag von Sport-Lu » 1. Mär 2023, 21:46

bujatronic hat geschrieben:
1. Mär 2023, 20:23
Und meine Sangeskünste???
Danke für die Blumen!
Da warten wir bis zum Treffen. :mrgreen:
Metzger,Bäcker und Friseure sind in Foren Ingenieure.

Eine BK ohne Ölfleck darunter......"Das ist aber nicht original so!!"

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 97 Gäste