Gestatten....

Reparatur, Restauration, Adressen

Moderator: Ulrich

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bujatronic
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Gestatten....

#1 Beitrag von bujatronic » 27. Okt 2010, 09:09

daß ich mich vorstelle:
Bin Ingenieur und habe bis zum bitteren Ende bei MZ gearbeitet. So erklärt es sich vielleicht von selbst, daß ich mir so die eine oder andere Maschine hingestellt habe, ich hatte schon zu DDR-Zeiten neben 2 Autos (Opel und Wartburg) immer ein oder 2 Moppeds (von wegen, es gab nichts!). Inzwischen sind es 7 MZs, die meine Garage zieren. Neben 3 Maschinen zum täglichen Fahren (ETZ125 für die Kinder, ETZ 251 (300ccm-Tourer) für meine Frau, ETZ 251 mit originalem Nicasil-Zylinder für mich) sind es eine ETS150, eine TS250/1 NVA (restauriert) und eine ETZ250 VoPo (teilrestauriert, ansonsten sehr geplegter Originalzustand). Bei allen Oldtimern achte ich auf möglichst hohe Originalität (also z.B. keine Edelstahlschrauben!) und möglichst vollständiges originales Zubehör incl. Kleidung (Uniformen).
Als in der Wendezeit sich in jedem Dorf die Schrottberge türmten, habe ich in Weißbach bei Zschopau unter Zinkbadewannen, selbsgebauten Betonmischern und was da alles so weggeflogen ist, einen BK-Rahmen gesehen. Einen alten Mann, der daneben stand, fraget ich nicht ohne Vorwurf, ob man das etwa wegschmeißen wolle. Er wies zu einem Schuppen und sagte, "...da steht noch mehr!" Und da stand wirklich eine BK350 17PS, laut Rahmennummer etwa von 1957! Es handelte sich um die nach meiner Erfahrung seltene Exportvariante in maron mit Chromfelgen und den Chromspiegeln am Tank. Offenbar damals an einen Werksangehörigen (Identität leider unbekannt) verkauft worden.
Aber der Zustand!!!! Sie war sicher längere Zeit als landwirtschaftliches Nutzfahrzeug zweckentfremdet worden. Sozius war abgebaut (aber vorhanden), der hintere Kotflügel plattgeklopft und an dieser Stelle eine Holzkiste angeschraubt. Rahmen verzogen und der rechte Unterzug gebrochen! Aber das tollste war, daß man über die Jahre offenbar den BK-typischen schleichenden Ölverlust am Getriebe nicht beachtet und es schließlich trocken gefahren, bis das Losrad des 1. Gangs gefressen hatte.
Irgend jemand hatte dann das Getriebe geöffnet, mit der bekannten Qualifikation (wie die S.. ins Uhrwerk) hineingeschaut, völlig richtig erkannt, daß man das nicht so einfach reparieren kann und das Ganze offen stehen gelassen. Mit der Zeit hatte es hineingeregnet, und zusammen mit dem Dreck der Jahre, dem Rost und den Ölresten war da ein leckerer Cocktail entstanden...
Mit dem Besitzer habe ich hartnäckig verhandelt, aber unter 500,- DM ließ sich der Preis nicht drücken, schließlich war mir die Erhaltung dieses wertvollen Kulturguts wichtiger als die paar Piepen. Inswischen ist ein Mehrfaches dieser Summe in das Projekt geflossen, denn es gab noch viele andere nicht so offensichtliche Mängel. So waren z.B. alle Elektron-Teile schwer korrodiert, die hintere Achsaufnahme links gebrochen, ein Stehbolzengewinde am Motor im Eimer usw.
So erklärt sich evtl., daß das Projekt BK inzwischen seit 20 Jahren in Arbeit ist, immer wieder unterbrochen durch Geld- oder Zeitmangel (meist beides!) oder andere Projekte. Zunächst war Hauptaufgabe, die Substanz zu retten. Als erstes habe ich alle Blechteile aufgearbeitet und diese noch im MZ-Hauptwerk durch die Lackvorbehandlung geschleust (reinigen, beizen, zinkphosphatieren und grundieren). Ein Ersatzgetriebe habe ich inzwischen auch bekommen und die Mechanik ist weitestgehend aufgearbeitet.
Nun geht alles dem Ende zu, im Mai 2011 soll zur Schwanenklassik der saubere Klang eines Zweizylinder-Zweitakt-Boxers das Herz der Zwickauer erfreuen...
Vorbild der Restauration ist ein Foto, das von dem damaligen Auto-Union- und dann selbständigen Fotografen Friedrich Meiche (Karl-Marx-Stadt) aufgenommen wurde, ich konnte es von einem ehemaligen Werksangehörigen bekommen und habe es reproduziert, das Original mußte ich leider zurückgeben...
Natürlich habe ich vor der Schließung von MZ noch einiges versucht, so z.B. im Archiv nach Zeichnungen gesucht und so einiges interessantes gefunden (werde es so nach und nach hier einstellen). Lustig war auch, daß eine Anfrage im Ersatzteilvertrieb von MZ ergab, daß alle Teile nach dem Auslaufen der 10-jährigen Ersatzteilpflicht an eine private Firma in Karl-Marx-Stadt auf der Gießerstraße abgegeben waren (Handelsschwerpunkt Schmiergeräte). Zusammen mit einem Freund sind wir da mit einem Transporter vorgefahren und haben tatsächlich noch eine ganze Reihe von Originalteilen gesichert, darunter u.a. die (nicht-Norm-) Lager aus dem Kardan (2-00.49-03 Rollenlaufring für Ritzellagerung), die Halbmonde (02-825.79-0 Zweiteiliger Ring) usw. Wer das braucht, bitte anfragen.
Gruß, Chr.
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Zuletzt geändert von bujatronic am 27. Okt 2010, 09:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gestatten....

#2 Beitrag von Sport-Lu » 27. Okt 2010, 09:22

Hallo!

Es gibt also doch noch Leute die sich ordentlich vorstellen,nicht nur Wissen absaugen bzw.Teile verhökern wollen!Jemand der gleich Wissen mit einbringt,herzlich Willkommen Buja!!
Hier im Nachbarort wurde auch vor 15 Jahren eine ehemalige IFA-Werkstatt beräumt.Danach habe ich erfahren,daß da auch mal MZ repariert wurde.Lackierte Kotflügel,Kardane und Getriebe usw. sollen in die Container gewandert sein.
Vor ein paar Jahren hatte ich auch einmal bei MZ angerufen.Da wollte man von den 2-Taktern aus DDR-Zeit garnix mehr wissen.Ich hatte den Eindruck als ob man sich jetzt dafür schämt!
Viel Erfolg bei der BK-Sanierung!

Gruss Jörn! :mrgreen:
Metzger,Bäcker und Friseure sind in Foren Ingenieure.

Eine BK ohne Ölfleck darunter......"Das ist aber nicht original so!!"

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Re: Gestatten....

#3 Beitrag von André » 27. Okt 2010, 09:48

Sport-Lu hat geschrieben:...Es gibt also doch noch Leute die sich ordentlich vorstellen,nicht nur Wissen absaugen bzw.Teile verhökern wollen!Herzlich Willkommen Buja!! ...
Hallo Buja,
ich schließe mich den Zeilen von Jörn an und ich habe sie mit großem Interesse gelesen.
Also auch von mir ein Herzliches Willkommen im Forum.
Schönes Bild von der BK :!:
Genau dieses Bild habe ich mir vor längerer Zeit schon einemal aus dem Internet gespeichert. Allerdings habe ich mir die Quelle nicht gemerkt.

Gruß André
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bujatronic
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MZ und MuZ

#4 Beitrag von bujatronic » 27. Okt 2010, 10:20

sind zweierlei, man benutzt nur das gleiche Markenzeichen. Auch ich habe festgestellt, daß zwischen der "alten" Werkmannschaft, für die es eine regelrechte Ehre war, bei MZ zu arbeiten und die in ihrem Beruf und in ihrer Firma aufgingen, und der "neuen" ein Riesenunterschied ist.
Wenn ich mal zu einem Treffen fahre, habe ich immer ein paar Handzettel für Interessenten dabei. Erstaunlich, wie wenig bekannt (oder schon vergessen) diese Zusammenhänge sind:
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Re: Gestatten....

#5 Beitrag von André » 27. Okt 2010, 10:56

Hallo Bujatronic,
ist natürlich interessantes Hintergrundwissen.
Auch ich hatte vor etwa zwei Jahren, hier im Forum, meine Enttäuschung zur MuZ 500 "vorsichtig" zum Ausdruck gebracht.
search.php?keywords=MUZ+500&terms=all&a ... bmit=Suche
Auch wenn der Motorradbau weiter gegangen wäre, ich glaube mit solchen Prudukten wie o.g. MuZ hätte man keinen weiteren "lukrativen Regierungsauftrag" bekommen.

Gruß André
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MuZ 500 Rotax

#6 Beitrag von bujatronic » 27. Okt 2010, 11:27

Auch ich hatte bereits mehrmals das Vergnügen mit Exemplaren dieser Maschine, die m.E. nur eine schnell zusammengeschusterte Notlösung war. Aber besonders enttäuscht war ich vom Motor, denn ich hatte von einem so renommierten Hersteller eigentlich etwas bessere Technik erwartet.
Eklatante Mängel bei einer werksneuen Vorführmaschine (1992):
Schlechtes Startverhalten, Anlasser zog nicht durch, Starten war nur mit gleichzeitigem Treten des Kickstarters möglich, später brach am Anlasserritzel (Fabrikat Denso) sogar ein Zahn ab.
Viel zu hohe (nervige) Leerlaufdrehzahl, pfeifender Zahnriemen.
Zu harter Ruckdämpfer im Hinterrad (Grimeca-Gußfelge)
Aber der Hammer war, daß die Schwungmassen des Einzylinders zu gering bemessen sind. Als ich die gepriesenen Vorzüge eines Viertakters (breiteres Drehzahlband) nutzen wollte und mit sehr niedriger Drehzahl eine Kurve durchfuhr, blieb der Motor plötzlich stehen, d.h. die gespeicherte Energie reichte nicht aus, um die 3 Leertakte bis zur nächsten Zündung zu überbrücken. Das Hinterrad blockierte, ich konnte nur mit Mühe einen Sturz abwenden...
Seither bin ich der Meinung: Zwei Takte sind genug!
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Re: Gestatten....

#7 Beitrag von Kerl » 27. Okt 2010, 14:25

Ein herzliches Willkommen auch von mir. Ein echter Kenner aus einem MZ-Werk, das ist doch mal was. :D

Bilder sehen will... Nicht erst wenns fertig ist, auch schon vorher. Ich liebe es zu sehen, wie so eine Maschine aus ein Haufen Krempel neu entsteht.
Unsinn, die hat vier Takte - auf jeder Seite zwei!

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Re: Gestatten....

#8 Beitrag von 17PS » 27. Okt 2010, 17:51

auch von mir ein herzliches willkommen. vielleicht sieht man sich ja einmal auf unseren legendären BK-treffen, die jedes jahr einmal irgendwo in deutschland stattfinden.

nochmals viel ergfolg bei der wiederbelebung der export-BK.

gruß thomas

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Re: Gestatten....

#9 Beitrag von bujatronic » 27. Okt 2010, 21:07

Danke Euch allen!
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