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Grundüberholung Fliehkraftversteller

Verfasst: 27. Jan 2011, 19:33
von bujatronic
Das ist sozusagen eine "never ending story", in etlichen Topics wird zum Thema Zündung, insbesondere elektronische Zündung zu dem Thema Verstellung einiges gesagt.
Ich möchte hierzu nur noch einmal hervorheben (ohne Werbung machen zu wollen), daß nur eins der vorgestellten Systeme auch über eine vergleichbare Zündpunktverstellung verfügt. Wer sich mit Powerdynamo oder ähnlichen Systemen begnügt, muß damit leben, daß es mal eine blaue Wade gibt....
Grundsätzlich ist der Fliehkraftversteller der BK (aber auch der frühen ES, Trabant usw.) nur eine Anlaßhilfe, sie sollen das Zurückschlagen des Motors verhindern und nicht den Zündpunkt nach einer Kennlinie verstellen. Wenn man sich die Funktion vor Augen hält: Unter "Prüfung des Zündreglers" steht im Ersatzteilkatalog:
Öffnen der Fliehgewichte zwischen 900 - 1100 U/min
Zündverstellwinkel 25° ± 1°
d.h. die Toleranz für die Drehzahl für das volle Öffnen liegt bei +/- 10%, und auch bei +/- 20% wäre auch noch alles i.O.
Zwar wird für die BK nirgendwo eine Leerlaufdrehzahl angegeben (wie sollte man die auch ohne Drehzahlmesser einstellen?), aber bei anderen MZ-Modellen sind es 1200 U/min (der TÜV verlangte dieser Tage bei meiner AU-pflichtigen ETZ sogar 1300 U/min), das wird wohl bei der BK nicht viel anders sein.
Hauptsache beim Antreten OT und schon bei Leerlauf voll gespreizt. Exakt kann man das nur mit einem Stroboskop überprüfen, und auch da wird man sicher ganz schön staunen, wie der Zündpunkt "tanzt", ist eben Mechanik....
Und da sind wir schon beim Thema: Alle Mechanik verschleißt, zumal nicht jede BK immer ordentlich gewartet wurde, wozu das Ölen der Fliehgewichte gehört.
Mit der Zeit bekommt aber jedes bewegliche Teil etwas Luft, manches auch viel (roter Pfeil im ersten Bild), und das äußert sich bei der BK so, daß die Fliehgewichte dann ein axiales Spiel bekommen, also sich nicht mehr knapp über die Grundplatte bewegen. Wenn die Bolzen sehr verschlissen sind und die Gewichte höher kommen (also in Fahrtrichtung nach vorn), passiert als erstes, daß die Anschläge an den Gewichten nicht mehr in den Fenstern der Grundplatte bleiben, sondern auf die Grundplatte aufgleiten. Dort verursachen sie mit der Zeit erheblichen Schaden (grüner Pfeil) und verstellen die Zündung noch weiter auf früh (Gefahr eines Klemmers!). Im Endstadium schlagen sie innen an das Alugehäuse der Lichtmaschine, der Anfang vom Ende (schwarzer Pfeil im unteren Bild, da sieht man die Bescherung...). Wenn das rechtzeitig erkannt wird, ist das Teil aber noch zu retten.
Ich poste hier eine Methode zum Grundüberholen eines Fliehkraftverstellers, wie ich sie an meinem durchgeführt habe.
mfg, Chr.

Re: Grundüberholung Fliehkraftversteller

Verfasst: 27. Jan 2011, 19:59
von bujatronic
Als erstes muß das Ding natürlich zerlegt werden, die Drahtstifte in den Bolzen brechen so leicht weg, daß ich mich gewundert habe, daß die sich nicht schon früher verabschiedet hatten.
Scheiben und Federn aufheben, die Federn kann man jedoch nur wieder verwenden, wenn sie noch nicht sehr verschlissen sind. Der untere Schenkel reibt auf dem Gewicht, bei mir waren dort schon ca. 0,25 von 0,7mm weg! Eine solche Feder hat vielleicht noch ihre Federkraft, aber aufgrund des verminderten Querschnitts droht sie über kurz oder lang zu brechen. Das ist zwar für die Funktion nicht so schlimm, es ändert sich natürlich die Verstellkurve, aber die grundsätzliche Verstellung bleibt gewahrt. Allerdings kann das abgebrochene Teil im Generator erheblichen Schaden anrichten, daher erneuern!
Die Bolzen sind in der Grundplatte hart eingelötet (im Bild ist noch der Rest vom Lot erkennbar), wer über einen passenden Brenner verfügt, kann versuchen, sie auszulöten, ich möchte aber warnen, es kann sein, daß das Teil nicht verzinkt, sondern cadmiert ist. Cadmium ist sehr giftig und krebserregend! Ich habe daher keine Experimente gemacht, den Bolzen von hinten angebohrt und dann vorsichtig herausgeschlagen.
Neue Bolzen (Übermaß je nach Verschleiß der Gewichte) fertigt man am besten aus einem härtbaren Stahl, siehe Skizze. Damit sie beim Einlöten auch gerade werden, ist zusätzlich eine Lehre nötig, das Material sollte einen höheren Ausdehungskoeffizienten als Stahl haben, es kann auch Keramik sein, da besteht wenigstens nicht die Gefahr, daß man dann die Lehre mit anlötet.
Nun kommt etwas Sisyphusarbeit: Die Bohrungen in den Fliehgewichten sind mit Sicherheit nicht mehr rund. Zwar sind diese Teile gehärtet, aber mit der Zeit... Also müssen die Bolzen an die Bohrung angepaßt werden, sie werden also oval. Da sich die Gewichte nur um ca. 15° drehen müssen, geht das. Mit Schlüsselfeile und feinem Schleifleinen kein Problem. Wichtig ist die Markierung der Einbaulage der Bolzen, damit die ovale Kontur dann auch zu der der Bohrung paßt.
Nach dem gewissenhaften Entfernen der galvanischen Schutzschicht an der Grundplatte kann man nun erst mal mit einem Schutzgas-Punkt die verschlissenen Fenster "regenerieren", spanende Nacharbeit stellt die richtige Form wieder her.
Dann kann man die neuen Bolzen einlöten. In die 1mm-Bohrung wird ein Draht, Splint o.ä. eingesetzt, der Bolzen (in richtiger Lage!) in die Lehre geschoben, durch die Grundplatte geschoben und fest angedrückt. Jetzt kommt es auf das timing an: Mit kleiner Flamme von hinten erwärmen, löten, unmittelbar nach dem Erstarren des Lots den Draht ziehen, die Lehre entfernen, den nun freiliegenden Bolzen noch einmal kurz bis zur Rotglut erwärmen (aber ohne das Lot wieder aufzuschmelzen!) und dann ins Wasser.
Nach der auch hier nötigen Feinarbeit probeweise die Gewichte aufsetzen und überprüfen, ob sie richtig sitzen.

Fehlerteufel!!

Verfasst: 2. Feb 2011, 19:46
von bujatronic
Bitte beachten: Die Lehre darf nur 6mm hoch sein (Skizze geändert), entschuldigt bitte meine Unaufmerksamkeit...

Re: Grundüberholung Fliehkraftversteller

Verfasst: 8. Feb 2011, 17:25
von bujatronic
Wenn die Grundplatte so überholt ist, werden die Reste des Flußmittels (und evtl. durchgelaufenes Lot) gewissenhaft entfernt, die Fliehgewichte aufgesteckt und deren Beweglichkeit geprüft. Sie müssen sich federleicht bewegen, die Unterseite der aufgenieteten Rolle (wo die Federn eingreifen) darf ganz leicht auf der Grundplatte schleifen. Keinesfalls dürfen sie zu hoch stehen! Im Notfall die Grundplatte vorichtig nachbiegen, nicht die Bolzen! Auch müssen die Federn überprüft werden, insbesondere die Nachfertigungen (auch die von mir!). die Schenkel müssen parallel zu den Gewichten sein, sonst besteht die Gefahr, daß sie aus der (flachen) Rille der Rolle herausspringen.
In den Schlitzen der Fliehgewichte war bei meinem Exemplar auch etwas Verschleiß aufgetreten, mir ist aber keine Idee gekommen, wie man das ausgleichen kann.
Nun kann man sich dem Nocken widmen. Hier sind es sicher die beiden Stifte, die in die Fliehgewichte greifen, wo Verschleiß aufgetreten ist. Diese Stifte sind auch hart eingelötet und gehärtet. Ausbohren ist unmöglich. Man kann mit ganz kleiner Flamme die Verbindung warm machen und dann mit einem Splintentreiber die Dinger rausklopfen. Vorsicht! keine größere Gewalt, sonst reißen die Augen, lieber mehrmals erwärmen und dabei aufpassen, daß der Nocken selbst nicht zu heiß wird.
Als Ersatz eignen sich Nadeln 3x11,8, natürlich auch längere, man kann sie mühelos abflexen. Auch hier sofort nach dem Einlöten abschrecken, damit sie ihre Härte wiedergewinnen. Beim Einlöten die Nadeln in einer Vorrichtung einsetzen, damit sie auch richtig parallel stehen, dazu ein passendes Stück Metall mit 2 Bohrungen versehen, ich habe einfach vom Nocken die Löcher mit Dmr. 2,9 durchgebohrt, da stimmt der Abstand.
Das Hauptproblem bei dem Fliehkraftversteller ist m.E., daß die Gewichte sich mit der Zeit von der Grundplatte abheben und an den Anschlägen aufgleiten (siehe Fotos oben). Um ihnen noch mehr Stabilität in axialer Richtung zu geben (denn für die schon etwas abgerundeten Anschläge habe ich keine Idee zur Regenerierung), habe ich auf die Stifte des Nockens 2 kleine Rollen aufgesetzt, man sieht sie kaum, verhindern aber sicher das Aufgleiten der Fliehgewichte. Sollten die sich mehr als ca. 0,2 mm abheben, drücken sie über diese Rollen an den Nocken, und der stützt sich auf die U-Scheibe an der Schrauben M7x105 ab, da kann nichts mehr passieren! Diese Rollen kann man übrigens jederzeit auch ohne Grundüberholung nachrüsten, um Schlimmeres bereits im Anfangsstadium zu unterbinden.
Nun ist alles in der Galvanik (der Meister hat ganz schön die Nase gerümpft, denn original war das wirklich cadmiert!), und wird bald bei vollem Funktionsumfang in alter Schönheit erstrahlen!
Frohes Schaffen!

Fliehkraftversteller fertig!

Verfasst: 17. Feb 2011, 13:57
von bujatronic
So sieht das gute Stück nun aus, nachdem es vom Verzinken zurück ist.
Der Unterbrechernocken war mit dabei Teflonband abgedeckt (ist also blank geblieben), ich weiß nicht, wie sich die Paarung Zink-Plaste verhält.
Ich finde, es kann sich sehen lassen. Wichtig ist, daß die Lagerstellen evtl. mit einem ganz feinen Schleifleinen nachgearbeitet werden müssen, damit nichts klemmt. Keinesfalls versuchen, durch stärkere Vorspannung der Federn erhöhte Reibung kompensieren zu wollen, das würde die Verstellcharakteristik verändern und den Leerlauf versauen.
Ich verwende für solche feinmechanischen Teile (wenn möglich) Silikonfett als Dauerschmiermittel. Das nimmt keine Feuchtigkeit auf, verseift oder verharzt nicht und ist auch für höhere Temperaturen geeignet.
Noch ein Hinweis: Die beiden eingeprägten O (Pfeile) müssen auf derselben Seite stehen (wenn der Motor im OT steht, oben!), sonst funkt es im UT, und das ist weithin zu hören....

Re: Grundüberholung Fliehkraftversteller

Verfasst: 12. Mär 2011, 11:40
von bujatronic
Hier noch ein Bild, wo die Hülsen (Pfeile) deutlich zu sehen sind. Es hat sich aber herausgestellt, daß die etwas angepaßt werden müssen, offenbar hatte sich das Blech am Nocken beim Hartlöten etwas verzogen, ging aber problemlos. Mit knapp 0,1mm Spiel können sich alle Teile einwandfrei bewegen, und für die Gewichte wird jeder Versuch, sich von der Grundplatte abzuheben, im Keim erstickt. Wenn ich damit 100.000 km runter habe, werde ich meine Erfahrungen posten...
Gute Fahrt in den Frühling!
mfg, Chr.