Gleichdruckvergaser

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bujatronic
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Gleichdruckvergaser

#1 Beitrag von bujatronic » 3. Jun 2016, 20:29

Da ich schon gemahnt wurde, will ich nun nicht mehr länger zögern, also gehen wir die Sache an:
Die Kraftstoffmasse, die ein Vergaser dosiert, hängt von der Druckdifferenz zwischen Schwimmerkammer und Lufttrichter und der hydraulisch wirksamen Kraftstoff-Düsenfläche ab.
Bei einem Gleichdruckvergaser wird diese Düsenfläche durch einen Schieber gesteuert, der eine Nadel (ähnlich der Teillastnadel im bekannten Schiebervergaser) in einer Nadeldüse bewegt (siehe Bild).
Die Position dieses Schiebers wird durch zwei Kräfte bestimmt: Einerseits die Kraft einer Membran, die mit dem Unterdruck im Lufttrichter (LT) beaufschlagt ist (roter Kreis), in Richtung "Öffnen" und andererseits durch eine entgegengesetzte Federkraft (strenggenommen auch noch durch das Gewicht des Schiebers, das wegen der abnehmenden Gravitation mit der Höhe abnimmt, bei Rückenflug sogar entgegengesetzt wirkt, aber siehe unten, man kann im Rahmen dieses Forums nicht eine umfassende Darstellung der Physik erreichen).
Der Unterdruck im LT folgt dem Bernoullischen Gesetz (im Bild). Dabei ist der erste Summand der Staudruck, der zweite (das p) der statische Druck und damit die Größe, die für die Dosierung des Kraftstoffs, aber auch die Stellung des Schiebers zuständig ist.
Nimmt nun bei ansonsten gleichen Bedingungen die Luftdichte (das Rho - erster Faktor in der Formel) ab, so sinkt der Staudruck, der statische Druck nimmt dementsprechend zu, oder anders gesagt, der Unterdruck im LT nimmt ab. Im gleichen Maße nimmt auch der Druck in der Schwimmerkammer (vereinfacht gleich dem äußeren Luftdruck) ab, denn der hängt natürlich mit der Luftdichte zusammen, so daß zumindest theoretisch die Druckdifferenz gleich bleibt.
Aber durch den Druckverlust wird der Schieber nach unten bewegt, die Nadel verringert die hydraulisch wirksame Kraftstoff-Düsenfläche, so daß der drohenden Anreicherung entgegen gewirkt wird. Daher hat kein mir bekanntes Flugzeug mit Gleichdruckvergaser die Option des Leaning. Höhenkorrektoren kenne ich nur für Vergaser, die nach dem Solex-Prinzip korrigiert sind.

Das soll die Zusammenhänge prinzipiell und verständlich erläutern. In Wirklichkeit spielen noch weitere Dinge eine Rolle:
  • Mit der Höhe abnehmende Temperatur (die der Luftverdünnung entgegen wirkt).
    Mit der Höhe zunehmende relative Luftfeuchte (auch die hat einen Einfluß auf die Luftdichte und somit auf die Funktion des Motors)
    Mit der Luftgeschwindigkeit abnehmende Luftdichte
    Unterschiedliche Reynolds-Zahlen im Luft- bzw- Kraftstoffsystem
    Abnahme der Gravitation und damit des Schweredrucks mit der Höhe
Last not least will ich dem verbreiteten Irrtum widersprechen, wonach die Luft in größeren Höhen weniger Sauerstoff enthält. Der Sauerstoffanteil ist bis zur Ionosphäre mit knapp 22% überall konstant, nur die Dichte nimmt ab. Da dem aber mit Temperatur und Feuchte zwei physikalische Phänomene entgegen wirken, ist zumindest in Höhen bis 3.000m die interne Korrektur eines Gleichdruckvergasers ausreichend. Und natürlich ist der Druck im LT dieser Vergaserbauart nicht konstant (sonst würde sich ja der Schieber gar nicht bewegen!), weswegen der Begriff "Gleichdruckvergaser" eigentlich falsch ist. Zutreffender wäre "Vergaser mit veränderlichem LT", aber davon gibt es auch wieder etliche andere Bauarten...

Weitere Details kann man den einschlägigen Wiki-Seiten und Fachbüchern entnehmen (z.B. Kraftfahrzeugvergaser von Müller, Christian und Müller, Friedrich), aber es werden solche Bücher langsam selten, da ja elektronische Einspritzanlagen inzwischen verbreitet sind, welche bekanntlich die angesaugte Luftmasse erfassen und somit von Luftdichte usw. unabhängig dosieren.

Und, bleiben Sie schön neugierig...
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