Kettenmangel in der DDR

Reparatur, Restauration, Adressen

Moderator: Ulrich

Antworten
Nachricht
Autor
BK-Fahrer
Beiträge: 380
Registriert: 10. Apr 2010, 19:11
Wohnort: NRW

Kettenmangel in der DDR

#1 Beitrag von BK-Fahrer » 7. Jun 2017, 13:18

Hallo BK Freunde.
Was ich immer schon loswerden wollte folgt jetzt. Anstoß war der Beitrag von derwolf1303.

Das Märchen vom "Kettenmangel durch Embargo des Westens führte zur Entstehung der BK " ist eine Geschichte die Siegfried Rauch in die Welt gesetzt hat und wohl immer bleiben wird.

Auch der Leiter des Fahrzeugmuseums Chemnitz sagt es immer bei jeder Führung weil es sich so interessant anhört.
Aber sie ist falsch und ich habe sie mit Siegfried Rauch sehr oft diskutiert. Wir kannten uns gut.

Siegfried Rauch war Leiter des DKW Kundendienst bis 1945, dann Leiter vom VEB Forschung und Entwicklung in Chemnitz, ab 1956 Leiter Kundendienst von Victoria Nürnberg und ab 1958 Chefredakteur von " Das Motorrad " in Stuttgart. Er zählte zu den ersten die zum "Klassenfeind" übergelaufen sind. Prüssing aber auch mit vielen anderen.
Seine Hauptleidenschaft war das Schreiben von Büchern und Geschichten und da muß etwas mit ihm durchgegangen sein.

So hat er mir geschrieben, dass die erste BK in einem sowjetischen Konstruktionsbüro entstanden ist unter den Herren Prüssing und Bang, die bei DKW für die Rennmaschinen verantwortlich waren.
Diese Erst BK entstand aus den Teilen des vergrößerten Riedel Anlassers auf Wunsch eines verantwortlichen russischen Ingenieurs, der einen guten Rennmotor suchte.
Aufgeladene Motore waren damals noch erlaubt.

Diese Erst BK hatte also den typischen Riedel Boxer, jedoch mit Drehflügellader, und benötigte auf Grund der Bauweise natürlich einen Kardanantrieb.
Ein Motorrad wurde auf der Straße erprobt und anschließend nach Russland gebracht.
Mit der viel späteren BK hatten sowohl Prüssing als auch Bang nichts zutun.
Übrigens gab es aus den 20/30 er Jahren schon einen DKW Boxer für Flugzeuge, sowohl luft als auch wassergekühlt, zu sehen im Museum in Chemnitz. War mal etwas demontiert, war ich.

Das in der HO Motorräder ohne Ketten standen ist unwahr. Mein Vater war Leiter der HO Industriewaren Sachsen Anhalt und hat das nicht bestätigt, was er auch in einem Telefongespräch mit Siegfried Rauch nochmals zum Ausdruck brachte. Aber der kannte das dann auch nur vom Hörensagen.

Ich war ab 1952 regelmäßig auf der Leipziger Messe wo alle westdeutschen Kettenfabriken anwesend waren, die uns nach Messeende großzügig mit Ketten beschenkten um den Rücktransport zu verringern. Von Embargo keine Spur.
Es gab immer Ketten für Fahrräder und Motorräder und auch die Steuerkette des Phänomen Granit (Duplex) war ein DDR Fabrikat. Allerdings gab es DDR typisch schon mal Engpässe wie mit allem.
Und außerdem war das sozialistische tschechische Brudervolk ( CZ Werk ) voll mit Ketten, wo wir uns auch bedienen konnten.
Ich selber habe in einem großen Schwermaschinenbau ab 1952 gearbeitet wo alle Kugellager aus dem Westen kamen, also von Embargo keine Spur.

Leider wurde der Chefkonstrukteur Herrmann Weber und sein halbes Konstruktionsbüro nach Russland zwangsverpflichtet, während die andere Hälfte in den Westen gingen.
In Russland baute er dann die NZ weiter, dort unter dem Namen ISH.
Dieses Motorrad hätte er auch in der DDR neu aufgelegt und einen stufenlosen Übergang zur ES gefunden.
Laut Rauch war die BK in den Produktionskosten doppelt so hoch wie die ES.

So können wir wenigstens wichtig einen Exoten zeigen, egal ob durch Kettenmangel oder Zufallskonstruktion.

Gruß BK-Fahrer.

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 148 Gäste