Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

Reparatur, Restauration, Adressen

Moderator: Ulrich

Antworten
Nachricht
Autor
ddomes
Beiträge: 292
Registriert: 22. Jan 2006, 16:58
Wohnort: Rüthen

Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

#1 Beitrag von ddomes » 7. Apr 2011, 19:46

Hallo zusammen,

ich möchte meinen vorderen Kurbelwellenlagersitz im Motorgehäuse aufarbeiten lassen, da er leider verschlissen ist. Einkleben kommt nicht in Frage, da der Lagerring schon leicht wackelt und ich die Gefahr sehe, dass er verkantet eingeklebt werden könnte.
Ich denke, das Metallspritzen und nachträgliche Bearbeiten macht da am meisten Sinn.
Nun meine Frage dazu: Die Firma, in der ich das evtl. machen lassen werde, schlägt für die Passung "j6" vor. Auf Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Passungssystem)
habe ich dazu gelesen, dass das eine recht "leichte" Passung ist, läuft unter Übergangspassung und soll mit dem Holzhammer fügbar sein. Nun gut, ich bin kein Maschinenbauer, aber wenn etwas bei Raumtemperatur mit dem Holzhammer fügbar ist, habe ich Angst, dass durch den größeren Ausdehnungskoeffizienten von Alu im Vgl. zu Stahl die Sache im heißen Zustand zu locker werden könnte. Oder ist das Quatsch?
Klärt mich bitte mal auf... :| Welche Passung wäre denn aus Eurer Sicht zu empfehlen?

Grüße
Daniel

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2411
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

#2 Beitrag von bujatronic » 8. Apr 2011, 11:03

also, wenn Du den Außenring bei eingebauter Kurbelwelle (die natürlich einwandfrei fluchten muß) und aufgesetztem Innenring plus Wälzkörper einklebst, sehe ich kein Problem, da der Außenring durch die Rollen m.E. ausreichend geführt wird und sich der Flucht der Kurbelwelle anpaßt.
Ich habe übrigens statt dem originalen NJ 2205 ein NU 2205 genommen, da gibt es keine Probleme, wenn die Kurbelwelle axial arbeitet (und das macht sie ja ganz gern)
Zu dem Lagersitz: Das "j6" kann nicht stimmen, denn nach ISO werden Toleranzen der Einheitsbohrung für die Welle mit Kleinbuchstaben angegeben. Bei der Einheitswelle (und dieser Fall liegt hier vor, denn der Außendurchmesser des Lagers=Welle ist vorgegeben) liegen die Verhältnisse genau umgekehrt; die Toleranz der Welle ist mit h vorgegeben, die Toleranzen der zugehörigen Bohrungen erhalten Großbuchstaben (daher steht auch auf jeder Reibahle die Toleranz mit einem großen Buchstaben). J6 wäre aber auf jeden Fall zu groß (-6 bis +13 µm).
Bei den ETZ-Modellen waren die Lagersitze im Neuzustand Preßsitze, ich denke mal P6 (leider habe ich keine Zeichnung mehr dazu, aber ich höre mich mal um). Bei der BK wird es nicht viel anders gewesen sein.
Die von Dir bei Wikipedia gefundenen Passungen beziehen sich alle auf eine konstante Einheitsbohrung mit H7 bzw. H8, d.h. die angegebenen Toleranzfelder mit dem kleinen Buchstaben sind die zu den angegebenen Passungen gehörigen Wellen- (bzw. in diesem Fall Lager-)maße. Die Außenringe von Kugellagern liegen aber nie in den dort vorgeschlagenen Toleranzfeldern, sie haben immer leichtes Untermaß, laut DKF für diese Größe 0 bis -9 µm, man kann also von h4 ausgehen.
Dazu würde ich die Bohrung auf P7 bohren lassen, d.h. -21 bis -51 µm Untermaß. N7 (-9 bis -39 µm) könnte im (allerdings wenig wahrscheinlichen) ungünstigsten Fall (kleinstes Lager in größtmöglicher Bohrung) schon nicht mehr im Preßsitz liegen.
Da spielt aber noch mit, welche Lagerluftgruppe Du hast, zu dem straffen Preßsitz gehört C3 (also erhöhte Lagerluft), damit sich im Betrieb unter Beachtung der Temperaturunterschiede (Welle ist wärmer) und der Wärmeausdehnung (Alu rund doppelt wie Stahl) das richtige Lagerspiel einstellt. Bei C2 (normale Lagerluft, ohne Kennzeichnung) müßte man N7 nehmen.
Wenn Du das Lager montierst und dazu das Gehäuse auf die vorgeschriebenen 100°C erwärmst, dehnt sich der Lagersitz um 0,1 mm aus, d.h. das Lager müßte sich ohne Probleme einsetzen lassen.
Last not least, eine zu kleine Bohrung kann man immer mit relativ wenig Aufwand erweitern, während das bei einer zu groß geratenen nicht so ohne weiteres geht.
Wenn Du das Lager bei eingebauter Kurbelwelle einsetzt, vergiß nicht, innen eine Scheibe beizulegen (die Du nach der Montage natürlich wieder rausnehmen mußt), damit zwischen Kurbelwelle und Außenring genügend Luft verbleibt.

Frohes Schaffen!
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

ddomes
Beiträge: 292
Registriert: 22. Jan 2006, 16:58
Wohnort: Rüthen

Re: Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

#3 Beitrag von ddomes » 10. Apr 2011, 14:43

Danke für die ausführlichen Infos!

Grüße
Daniel

ddomes
Beiträge: 292
Registriert: 22. Jan 2006, 16:58
Wohnort: Rüthen

Re: Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

#4 Beitrag von ddomes » 11. Apr 2011, 19:50

Hallo Chr.,
ich habe mich mal ein bisschen schlau gemacht und folgende Rechnung angestellt:

INA gibt Lagertoleranzen für 50-80mm Außendurchmesser mit 0 bis -13µm an.
Die Bohrung P6 liegt bei -26 bis -45µm vom Nennmaß 52mm für NJ2205.
Bei Raumtemperatur ist das Ganze also eine Presspassung und ist definitiv fest.

Wenn ich für den Wärmeausdehnungskoeffizienten von Stahl 11E-6 1/K und für Alu 23E-6 1/K ansetze und den kleinsten Lageraußendurchmesser und den größten Bohrungsdurchmesser hernehme, dann ergibt sich "Spiel" ab ca. 21K über Raumtemperatur.

Als Nicht-Masch-Bauer :wink: stellt sich mir die Frage, wie bewerte ich diesen Zusammenhang. Ist das nun ein Spiel mit der Wahrscheinlichkeit (ungünstigste Paarung sehr selten) oder ist der Ansatz der homogenen Temperatur beider Partner nicht richtig, sprich Alu bleibt im Bereich des Lageraußenrings kälter und verhindert ein "Aufgehen" des direkten Lagersitzes?

Wäre nochmal auf eine erklärende Antwort gespannt!
Danke und Grüße
Daniel

Benutzeravatar
bujatronic
Beiträge: 2411
Registriert: 24. Okt 2010, 14:10
Wohnort: Königswalde

Re: Passung für vorderes Kurbelwellenlager im Motorgehäuse

#5 Beitrag von bujatronic » 19. Mai 2011, 08:08

Das ist richtig gerechnet. Auch bei den von mir vorgeschlagenen Passungen (DKF-Lager mit max -9µm und P7 mit max. -26µm) würde sich bei ca. 20K über Raumtemperatur eine Pressung von Null ergeben, was aber noch nicht gleichbedeutend mit einem losen Lager ist, denn dazu müßten ca. 10 ... 20µm Spiel sein, also noch mal ca. 20K wärmer.
Man muß jedoch m.E. beachten, daß das Lager im Betrieb wärmer ist, da ein Wärmefluß von der Kurbelwelle (die ja über das Pleuel sowie von den komprimierten Gasen erwärmt wird) zum Gehäuse stattfindet, und der kann nur über die Lager erfolgen.
Diese Rechnung stellt allerdings den GAU dar, bei Berechnung mit den mittleren Abweichungen müßten es schon knapp 50K Temperatur-Unterschied sein.
Daher glaube ich, daß Du mit dieser Passung (P6) keinen Fehler machst. Aber wenn Du es ganz genau machen willst, kannst Du ja die Bohrung erst mal R6 (Q6 gibt es nicht) bohren lassen, sollte dann das NU2205 nicht das nötige Mindestspiel haben (Innenring läßt sich nur mit größerem Kraftaufwand einschieben), spätestens nach der ersten Demontage des Lagers ist die Bohrung weit genug...
"Vergessen Sie auch nicht, daß jedes Kraftfahrzeug wertvolles Volksvermögen darstellt, das möglichst lange zu erhalten nicht nur einen persönlichen Vorteil bringt, sondern auch eine nationale Pflicht ist!"
Obering. Siegfried Rauch

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste